Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

Von Robert Gernhard gibt es ein kleines Rätsel.

Rätsel – Ein Gespräch

Ich hab was für dich,

rate mal was:

Mit ‚G‘ fängt es an

...

aber lassen wir vorläufig dieses Rätsel unvollendet und wenden uns zuerst Anderem zu.

Ceterum censeo Carthaginem ... u.s.w. - vor rund 2150 Jahren soll Cato Censorius im römischen Senat immer wieder, in allen seinen Redebeiträgen, unabhängig vom eigentlichen Gegenstand der Diskussion, seine Reden mit dieser Forderung beendet haben: ... Carthaginem esse delendam – dass Karthago zerstört werden müsse.

Im Jahre 146 v. Chr. war Karthago vom Erdboden verschwunden.

Ähnlich penetrant kommen heute manche Forderungen daher, auch weiterhin auf Verkehrsprobleme oder Wohnprobleme mit weiterer Versiegelung / Zerstörung der Flächen zu reagieren. Jetzt, besonders im beginnenden Landtagswahlkampf, wird z. B. ein Verkehrsminister als erklärtes Feindbild mit eben solchen Forderungen traktiert, widerlegte Forderungen von nicht abgerufenen Geldern penetrant widerholt und ebenso penetrant - ceterum censeo ... er habe bis dato vor allem durch Nichtstun geglänzt immer wiederholend behauptet. Ein Ministerpräsidentenkandidat brüstet sich, Benzin im Blut zu haben und redet von einer modernen Verkehrspolitik, die sich an den Bedürfnissen des Menschen orientieren müsse und sieht auf der anderen Seite nur Ideologie am Werk. Wenn es nicht so dumm wäre, könnte man darüber lachen.

... Carthaginem esse delendam!

Einschränkungen immer nur als Verbote oder Ideologie zu diffamieren halte ich für anmaßend oder schlicht für einen Mangel an Geistesschärfe. Denn diese sind in der Regel auch die Sicherung von Freiheitsrechten. Wenn z. B. Zusätze in Autos verboten werden, die jene ganz unnötigerweise lauter machen, so hat das erstmal nichts mit einem Verbot zu tun sondern mit Freiheit und Ermöglichen. Nämlich mehr Menschen die Freiheit zu geben, zu leben, ohne von Minderheiten in ihrem Leben beeinträchtigt zu werden. Eine Parkraumbewirtschaftung mag für wenige kleine Einschränkungen bedeuten. Freie Gehwege bedeuten für wenige die Einschränkung nicht immer da halten zu können, wo man gerade will, aber es bedeutet dagegen Sicherheit und Teilnahme am Leben für Kinder, Familien oder Menschen mit Rollatoren. Von freien Wegen für Müllfahrzeuge, Rettungsfahrzeugen oder Feuerwehr ganz zu schweigen.

Carthaginem esse delendam.

Verkehrspolitik, Mobilitätspolitik und Straßenbau hat auch immer etwas mit Machbarem zu tun. Über die Kreisumlage sind z. B. alle Bürgerinnen und Bürger von Kenzingen an den vielen Millionen beteiligt, die der Kreis für die Infrastruktur, den Öffentlichen Nahverkehr und Straßenbau aufbringt. Aber dank der Doppik kann man plötzlich konkret sehen und es auch in Zahlen fassen, dass Kenzingen 2016 und in den nächsten Jahren ein Ressourcenbedarf von 1,35 Mio. € für ÖPNV, Verkehrsflächen und –anlagen hat. Das ist doch eine deutliche Zahl. Eine Zahl, die eben auch deutlich macht, dass Straßen, neue Wohngebiete, kommunale Infrastruktur nicht nur gebaut und erschlossen werden - und das war es dann - sondern dass diese auch gepflegt und erhalten werden müssen.

Es muss ein Weg gefunden werden, der die Sackgasse verlässt und zu einer modernen, zukunftsfähigen Verkehrspolitik, Städtebaupolitik und Mobilitätsentwürfe führt.

... bevor Karthago zerstört ist.

Bei der Stadtplanung hat sich in dieser Hinsicht einiges getan. Eine Stadt für Menschen ist mehr als nur eine Durchgangsstraßen mit Häusern rechts und links. Eine Stadt zum Wohnen darf ruhig ein Naherholungsgebiet haben, das auch ein nahes Erholungsgebiet ist. Und eine Stadt für Menschen, sollte eine Innenstadt haben, die Menschen einlädt, sie zu besuchen: Der Durchgangsverkehr fährt, wie gesagt, halt eben durch. Deshalb ist der Gedanke naheliegend, dass eine Innenstadt nur leben kann, wenn es ein gleichberechtigtes Miteinander gibt und deshalb halte ich einen neuen Ansatz für eine neue Innenstadtgestaltung für zwingend.

Neuer Ansatz darf aber nicht bedeuten, nochmals neue Flickschustereien. Dann heben wir uns diese Ressourcen lieber für andere Projekte auf. Dass bei einer Neugestaltung der Innenstadt diese nicht für 4 Monate komplett gesperrt werden darf, dürfte wohl selbstverständlich sein.

Angedacht ist, dass im März / Februar über diesen neuen Ansatz beraten werden soll. Wir gehen davon aus, dass diese Diskussion ergebnisoffen gestartet wird und dass sie tatsächlich im ersten und zweiten Quartal 2016 startet. Wenn nicht stellen wir als Fraktion den Antrag, dass dieses Thema umgehend im Gemeinderat behandelt wird.

Ceterum censemus

auch bei der Überplanung des MEZ-Areals oder der Neunutzung des alten Feuerwehrgerätehauses hatten wir immer gefordert, vor einer Planungsvergabe die Ziele zu diskutieren und festzulegen. Was das MEZ-Areal betrifft haben sich einige Fraktionen positioniert. Auch die ABL hat ihre Überlegungen zur Diskussion gestellt. Wenn jetzt aber ein fertiger Plan dem Gemeinderat vorgelegt werden soll, so sage ich für unsere Fraktion, dass dies nur ein Vorschlag sein kann, der für uns in keiner Weise bindend sein wird. Das gleiche gilt für das Plangebiet des alten Feuerwehrgerätehauses: Hier hätte ich mir gewünscht, dass wir als Gemeinderat mit konkreten Vorstellungen mit potentiellen Investoren und der AWO ins Gespräch kommen. Ich persönlich habe meine Zweifel, ob die Kombination Kleinkind-/Kindbetreuung im ersten Stock, darüber Pflegebetten wirklich optimal ist. Mir scheint das – vermutlich aktuell politisch nicht korrekt formuliert - eher eine Schimäre zu sein, ein Wolkenkuckucksheim für Sonntagsreden und Hochglanzprospekte. Es kann sinnvoll sein, wenn sich Senioren einbringen können und wollen. Was aber, wenn sie sich nicht einbringen können oder wollen. Ich weiß, dass Kindergärten in Kenzingen in der Vergangenheit und noch aktuell, intensive Partnerschaften und Kontakte mit den Pflegeheimen haben. Das ist gut so, und sollte auch gefördert werden. Aber eine solche intensive Nachbarschaft – darüber müssen wir reden.

Ceterum censeo

dass Flächenverbrauch nicht endlos weitergehen kann. Das sage ich wie Cato sein ceterum censeo. Aber was wir in den letzten beiden Jahren in der Region erlebt haben ist nicht wirklich nachvollziehbar. Obwohl alle – oder sagen wir: fast alle - in Berlin und Stuttgart eine Reduzierung des Flächenverbrauchs fordern – ich sage nochmals: fast alle, in Stuttgart fordern einige jetzt wieder freien Verbrauch für alle – erleben wir in der Region eine Explosion der überbauten Gemeindeflächen. Manche Gemeinden haben maßlos mehr, andere zurückhaltend mehr. Aber alle mehr. Es gibt wichtige Konferenzen der UN zum Flächenverbrauch und zum Klimaschutz. Aber das ist halt weit weg, nicht hier vor Ort. Ich weiß noch, wie Menschen hier vor Ort oder Wissenschaftler auf Konferenzen verhöhnt und verlacht wurden und werden, wenn sie auf die Gefahren von Plastikmüll in Ozeanen, in der Elz in unserer Landschaft, wenn sie auf Zerstörung der Böden oder auf eine mögliche Erderwärmung hingewiesen haben und sofortiges Handeln forderten. Wenn sie forderten, dass Wirtschaftsprozesse nachhaltig sein müssen oder wenn sie nur anmerkten, dass das Wohl der Menschen auch mit der Artenvielfalt in Zusammenhang steht. Beispielsweise haben erfolgreiche Neuentwicklungen von Medikamenten unter anderem etwas mit einem intakten Regenwald zu tun und blühende Rapsfelder und billiger Sprit stehen eher für Ressourcenvernichtung als für notwendige Biodiversität. Es mag im Einzelfall kritisch sein, für eine alte Weide auf dem Badeniagelände eine Großbaumverpflanzung zu fordern, aber Artenschutz und Klimaschutz sind nicht nur eine Angelegenheit der Nationen mit tropischen Regenwäldern oder der Konferenzteilnehmer in Paris. Auch vor Ort muss Flächenschutz, Artenschutz und Klimaschutz bei allen Entscheidungen berücksichtigt werden. Über einen Froschzaun vor Ort meinen manche noch lachen zu können, oder es werden Gelbe Säcke begeistert in eine Erfolgsstatistik aufgenommen, deren Inhalte doch eher Sinnbilder einer unglaublichen Ressourcenvernichtung sind. Die Forderung nach Reduzierung des Flächenverbrauchs ist heute en vogue. Das Handeln allerdings oft anders.

Wenn demnächst mehrere Hundert Wohnungen in Kenzingen auf den Markt kommen, kann man nicht so tun, als ob das nichts wäre und man gleich weitere neue Baugebiete ausweisen müsse.

Wenn ein Gewerbegebiet nicht sofort „voll“ ist, liegt das nicht a priori zwingend am Nichtstun, sondern – Kritiker sollten das vielleicht auch mal in Erwägung ziehen – eventuell auch am verantwortungsvollem Handeln, am Blick auf die Konsequenzen über den Tag hinaus. Wenn das verwirklicht wird, was wir im vergangenen Herbst in die Wege geleitet haben, dann hat es sich durchaus gelohnt, zu warten. Es hat sich gelohnt, nicht auf jedes Angebot aufzuspringen und es straft die Lüge, die jenen huldigen, die in blindem Aktionismus halt alles tun, damit etwas getan ist, ohne zu überlegen was sein wird, wenn sie es getan haben. Und vielleicht werden die Kritiker zumindest a posteriori erkennen, dass sich manchmal ein offener Blick auf die Fakten lohnt.

Nicht jedes ceterum censeo führt nach Karthago und nicht jeder Indienfahrer entdeckt Amerika.

In der Vergangenheit war auch gefordert worden, die Platanen beim MEZ-Areal zu erhalten. Das halte ich grundsätzlich für erstrebenswert. Die Forderung bringt mich aber auf den Gedanken, über Bäume im Besitz der Stadt zu sprechen. Straßen, innerhalb und außerhalb, sind jeweils nach einem Gemeinderatsbeschluss gebaut worden, inklusive des begleitenden Grüns. Nun hat Kenzingen einige Straßen, die ebenfalls einen schönen Baumbestand haben, einen schönen, harmonischen und geschlossenen Baumbestand hatten. Allerdings wird dieser Bestand in der Vergangenheit eher ausgedünnt, das eigentlich schöne und stimmige Straßenbild wird durch das willkürliche Entfernen einzelner Bäume zerstört. Ich denke, bevor wir Forderungen erheben, die sich auf private Grundstücke beziehen – was aber durchaus auch legitim ist – sollten wir aus ästhetischen, ökologischen – Kleinklima – und ökonomischen Gründen darauf achten, dass unser Straßenbild nicht so zerrupft daherkommt.

Als Herr Kaesler bei einer Waldbegehung vor einiger Zeit die Trittsteinbiotope im städtischen Wald vorgestellt hatte, wurde zuerst einmal heftige Kritik geübt. Unter anderem wurde eine Reduzierung des Gewinns für den städtischen Haushalt beklagt. Auch hier gilt für uns, dass die Stadt eigentlich vorangehen muss. Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht schon 1990 festgestellt, dass im öffentlichen Wald die Holzerzeugung nachrangig ist. Stattdessen sollen Naturschutz und das Erholungsbedürfnis der Bevölkerung Vorrang haben.

Aula, Schulhof, Bauhof und andere Hallen, vielleicht auch noch nicht gebaute, werden uns im nächsten Jahr, in den nächsten Jahren beschäftigen. Wir plädieren dafür, dass die Aula funktionstüchtig erhalten bleibt. Eine Überplanung und Gestaltung des Schulhofes sollte sich daran orientieren. Das heißt aber, bevor hier geplant wird – und Mittel sind ja eingestellt, muss eine Entscheidung über die Aula getroffen werden. An der Entscheidung, den Bauhof zu verlegen, sollten wir festhalten. Ich habe Verständnis, dass auch für Hecklingen eine Halle gefordert wird. Machbar, wenn finanziell möglich. Jedoch sollte erst entschieden werden ob, erst dann wäre eine Planung sinnvoll. Ein Planungsantrag anzukündigen bevor das ob und wie entschieden ist halte ich nicht für zielführend.

Die neue Gemeindeordnung sieht vielfältige Mitgestaltungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger, für Einwohnerinnen und Einwohner, für Jugendliche, Senioren und andere Bevölkerungsgruppen vor. Das halte ich grundsätzlich für gut. Über das wie müssen wir entscheiden. Ich persönlich halte die Mitarbeit über regelmäßig stattfindende Foren für sinnvoll. Die sollten weiterhin regelmäßig stattfinden. Doch besonders für die Jugendforen muss ein Modus gefunden werden, wie Beteiligung für alle Jugendliche möglich und interessant gemacht werden kann.

In der Vergangenheit wurde Herr Kretschmann für sein Versprechen, eine Politik des Gehörtwerdens zu machen, oft hämisch belächelt. Immer jedoch erst dann und von Gruppen, deren Forderungen nicht realisiert werden konnten/wurden. Hierzu ein Kommentar erübrigt sich, da politischer Diskurs mehr ist als ein Einkaufsbummel im Supermarkt oder der Button „Gefällt mir“. Dies gilt auch für kommunale Bürgerbeteiligung.

Das Jahr 2015 hatte ein zentrales Thema: Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen. Ich glaube, wir haben eine Verantwortung. Ich glaube auch, dass wir uns den Fragen stellen müssen, wie viel Zuzug wir überhaupt vertragen / organisieren können. Denn es macht keinen Sinn, Menschen unbegrenzt aufzunehmen, ohne die Integration im Blick zu haben oder ohne Ausbildung gewährleisten zu können. Das müssen und das dürfen wir diskutieren. Und wir dürfen auch Forderungen an Menschen stellen, die zu uns kommen oder kommen wollen.

Grundsätzlich sage ich jedoch auch: Wenn Menschen Gewalt angetan wird, wenn sie diskriminiert werden, wenn ihnen Folter droht, wenn sie in einer globalisierten Welt von all dem ausgeschlossen sind, was wir für selbstverständlich halten, dann habe ich Verständnis, wenn sie sich auf einen langen Marsch machen, wenn sie einen Ort suchen, an dem sie in Frieden und vielleicht auch in ein wenig Wohlstand leben können.

Ich bin mir bewusst, dass wir über die Aufnahme von Flüchtlingen kontrovers sprechen können. Aber Grundlage muss ein Weltbild sein, das von der Gleichheit aller Menschen ausgeht. Wir dürfen keinen Schritt zurückweichen vor Hassparolen, Rassismus und Menschenverachtung. Für Hass und Rassismus gibt es kein „aber“ sondern nur ein „Nein“.

Wir hatten vorgeschlagen zur Koordination der Flüchtlingsthemen eine x-%-Stelle zu schaffen. Im neuen Haushalt wird hierzu eine halbe Stelle ausgewiesen.

Ein paar Worte sollen noch sein. Herr Guderjan, liebe Kolleginnen und Kollegen ich danke auch im Namen meiner Fraktionskolleginnen und –kollegen für die intensive Zusammenarbeit im vergangenen Jahr. Ich danke Ihnen Herr Guderjan und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, in der Verwaltung, im Wasserwerk, im Wald, auf dem Bauhof, in den Kindergärten, Schulen und Jugendarbeit.

Eigentlich wären alle Probleme und Fragen leicht zu lösen, wie die Geschichte, das Rätsel von Robert Gernhard beweist:

Robert Gernhard – Gespräch: ein Rätsel

Ich hab was für dich,

rate mal was:

Mit ‘G‘ fängt es an,

und es endet mit ‘las‘,

und man kann daraus trinken.“

Eine Gurke?“

Anscheinend ist das eindeutig Offensichtliche nicht immer das offensichtlich Eindeutige.

Dem Haushalt für das Jahr 2016 stimmen wir zu.

Für die ABL: Stefan Bilharz