Sehr geehrte Damen und Herren,

am Anfang war der Baum.

Oder zumindest ziemlich am Anfang. Und der sorgte schon damals für viel Ärger und weitreichende Folgen für die Menschheit. Vorbei war’s mit dolce vita, vorbei mit dem einträchtigen Miteinander von Wolf und Schaf. Deshalb ist es wohl auch nicht verwunderlich, dass wir beim Thema Baum, Bäume für die Industriestraße, manchmal hart aneinander gerieten, Sackgassen betraten und Umwege gehen mussten, bis wir ans Ziel gelangten: Neupflanzung von Silberlinden in der kleineren Startversion, die jetzt aber wohl von allen akzeptiert werden kann. Natürlich habe mich geärgert, dass entgegen der Ankündigung für die gefällten Kastanien der Industriestraße, einen adäquaten Ersatz zu pflanzen, nun doch die kleinere Variante mehrheitlich beschlossen wurde. Zugegeben, es war kein Beschluss, diese adäquate Ersatzbepflanzung, aber wohl doch ein Konsens. Und nochmals zugegeben, über das „adäquat“ lässt sich trefflich streiten. Aber gerade weil wir auch intensiv über die stadtklimatische Bedeutung der alten Kastanien diskutiert hatten, weil emotionale Bindungen zu diesem Straßenbild, Ästhetik und Lärmschutz auch Argumente sind, hätte ich mir einen sensibleren Umgang gewünscht, gewünscht auch, dass der Konsens nach einem Jahr noch verbindlich gewesen wäre. Aber wir wollen das jetzt nicht dramatisieren. Auch Silberlinden mit einem kleineren Durchmesser sind jetzt Drama, kein Weltuntergang. Es bleibt allerdings die Frage nach dem Stil.

 

Bei mir steht heute der Anfang. Weltuntergänge prophezeien andere. Peter Hauk, Fraktionschef der CDU im Stuttgarter Landtag, glaubt zu wissen, dass Ministerpräsident Kretschmann unser Land – Hauk sagt „unser Land“ meint aber wohl das „uns Schwarzen gegebene Land“ - er glaubt also zu wissen, dass Kretschmann Baden-Württemberg aus der Champions League in die Kreisklasse führt; der FDP-Fraktionschef nennt Kretschmann in Anspielung auf Griechenland Kretschmanakis und sieht am dunklen Horizont die Apokalyptischen Reiter aus der Offenbarung des Johannes. „Welch ein Überfluss an Geistesmangel“, kann man da nur mit Heine feststellen und sich belustigt abwenden. Doch leider hört der Spaß dann auf, wenn dieses Politik- oder Demokratieverständnis mehr ist als nur Geschwätz, wenn es zum Leitfaden des Handelns wird. Weg von Inhalten, hin zum verbalen Knüppel, was schert die Faktenlage. Genau diese Art von Politik war es, die die Auseinandersetzung um Stuttgart 21 so ätzend machte, die die Energiewende hintertreibt und Reformen im Bildungssystem Makulatur bleiben lässt.

Bleiben wir bei Stuttgart 21. Inzwischen haben wir es verbindlich, dass dieses Projekt um mindestens 2 Mrd. Euro teurer wird. In einem Kommentar habe ich dazu gelesen, dass dies zwar nicht angenehm sei, aber normal. Wie bei Großprojekten üblich müsse man halt mit niedrigen Zahlen starten, auch wenn man es besser wisse, und jetzt müsse man dies halt als gegeben hinnehmen, weil dies eben so üblich sei und der Respekt vor demokratischen Prozessen dies nötig mache. Wie bitte? Dann war also klar, dass auch die damaligen Regierungsparteien wussten, dass es teurer wird. Dann wird also akzeptiert, dass es in politischen Diskursen nicht um Inhalte geht, die vielmehr beliebig sein dürfen; dass bei Fehlbehauptungen und Falschaussagen wie in Stuttgart, Hamburg, Berlin oder hier bei der Breisgau-S-Bahn Fehler nicht zu verantworten sind, weil sie einfach so dazu gehören; dann wird es auch akzeptiert, dass wir als Bürger, Kommunalpolitiker, Wähler wissentlich getäuscht werden. Und das gefälligst zu akzeptieren haben. Das sind sie, die Apokalyptischen Reiter: Planungen über die beraten wird obwohl von Anfang an nur Stückwerk; oder Lärmgutachten an der Bahnlinie, die sich nicht an der Realität (zwar schnellere Züge, aber moderne, leise) sondern an Computersimulationen orientieren. Dunkler und kurioser kann auch das Mittelalter nicht gewesen sein. Hätten wir also, um Zuschüsse zu erhalten ein Feuerwehrgerätehaus mit einem Phantasiepreis beschließen sollen und die Preisanpassung bräuchte man ja auch gar nicht dem Regierungspräsidium mitteilen, da ja jeder weiß, dass geplante Kosten ohnehin später an die Realität angepasst werden müssen. Und zur Bahn zurück: inwieweit können wir beim Thema Ausbau der Rheintalbahn der DB, ihren Planern, ihren Vorständen, überhaupt noch trauen? Die Planung in Stuttgart ist Schrott! Die Planung zur Breisgau-S-Bahn nur noch Stückwerk! Diesen Vorständen und Planern der Deutschen Bahn sollte die Planung sofort aus der Hand genommen werden nicht, damit nicht weiter gedanken- und verantwortungslos Großprojekte in der Art vorangetrieben werden, dass unser Lebensumfeld zerstört wird. Treffend wird heute OB Salomon zitiert: „Das Problem ist, egal wo man bei der Bahn hingreift, es ist immer ein Griff ins Klo!“

Der Baum am Anfang der Menschheitsgeschichte war ein Apfelbaum. Das ist doch wohl sicher!?. So sicher wie unsere guten Finanzen. Wir haben, die Finanzen betreffend, ein gutes Jahr 2012 und werden wohl auch ein gutes Jahr 2013 haben. Wir können unsere im Konsens gefasste Schuldenbremse einhalten, Investitionen von 5,1 Millionen tätigen, z. B. den Neubau des Feuerwehrgerätehaus mit neuem Anlauf für einen Zuschuss aus dem Ausgleichstock angehen, die energetische Sanierung des Gymnasiums abschließen - auch wenn wir es aus Gründen der Ausgleichsstocksarithmetik um ein Jahr verschieben müssen, den Kreisverkehr Nord, Hochwasserschutz, Sanierung Alte Halle und, sogar ohne Grundsatzdiskussion, die Mittel für Erhalt und Sanierung der Feldwege aufstocken. Rosige Zeiten? Wir haben durch sparsames Haushalten in den vergangenen Jahren, Schulden abgebaut, Kassenkredite abgelöst und uns Rücklagen für zukünftiges Handeln, für wichtige Investitionen geschaffen. Rosige Zeiten? Nicht unbedingt. So wenig wie der Baum am Beginn der Menschheitsgeschichte ein Apfelbaum war, so wenig können wir uns darauf verlassen, dass diese rosigen Zeiten bei uns bleiben. Griechenland, Bankenkrise, Wirtschaftswachstum, Demografie und Ökologie: wir wissen nicht was kommt, sollten aber dennoch wissen, was wir tun müssen:

Energiewende – das Ziel ist wohl allen klar. Leider herrscht hier häufig eine riesige Diskrepanz zwischen Worten und Taten. Die ABL unterstützt „Kenzingen regenerativ“, schätzt die großartige Leistung der Solar-AG am Gymnasium und hält auch die geplante Photovoltaikanlage auf dem ehemaligen Sprengplatz für einen sinnvollen Beitrag zur Energiewende. Wir glauben nicht, dass die im Haushalt eingestellten Mittel für Notstromaggregate nur aufgrund der Energiewende eingestellt werden müssen. Aber selbst wenn es so wäre, wäre es sinnvoll und müsste halt sein. Es kann nicht alles umsonst sein. Alles umsonst! Das führt zurück in die antike Sklavenhaltergesellschaft, in der tatsächlich für einige vieles umsonst war. Viele Menschen, die jetzt die angeblich so hohen Kosten bei der Energiewende scheinheilig beklagen, haben wohl schon die Milliarden vergessen, die für die Atomindustrie bezahlt wurden und noch bezahlt werden müssen.

Energiewende: Ab dem 1.1.2013 bezieht die Stadt Kenzingen „leitungsgebundene elektrische Energie aus 100 % regenerativer Energie“. Hierzu braucht man nichts zu sagen – außer einem Lob natürlich – und mit Blick auf die Irritationen bei den letzten Ausschreibungen: Na also, es geht doch.

Der Baum am Anfang der Geschichte, der Baum von dem Eva vieles pflückte nur keinen Apfel, war also ein anderer Baum. Erst die mittelalterliche Ikonographie machte den Baum endgültig zum Apfelbaum. Durchaus könnte es ein Feigenbaum gewesen sein, da ein biblischer Text berichtet, dass Adam und Eva ihre Blöße mit einem Feigenblatt bedeckten. Hinter diesem Feigenblatt versteckt sich heute die alte Schuldenmachermentalität, wenn heute wieder an vielen Orten gefordert wird, man müsse die Gunst der Stunde nutzen, Schulden machen und investieren was das Zeug hält. Die Inflation werde dann die Schulden von allein erledigen. Wer glaubt, dass unser System kurz vor dem Kollaps steht, wird so handeln müssen. Wer aber noch nicht an das Elend glaubt, wer noch hofft, dass dieses System wieder ins Gleichgewicht kommen kann, dass vernünftige Politiker den Heuschrecken und Geiern Paroli bieten können, der sollte lieber den Weg der Konsolidierung der Finanzen weiter gehen. Denn jetzt Schulden machen, nur weil die Zinsen gerade niedrig sind, das lohnt wohl nur, wenn sämtliche Investitionskosten, Zinszahlungen und Tilgungen, sämtliche immer auch zusätzlich anfallende Folgekosten im Zeitraum dieses niedrigen Zinssatzes getätigt werden können. Griechenland konnte jahrelang mit hohen Zinsen leben, deren Gesamtsumme aber an ihr Budget angepasst war. Die heutige Krise hängt auch damit zusammen, dass Griechenland, nach Einführung des Euros plötzlich auf niedrigere Zinsen zurückgreifen konnte und für sein Zinsbudget plötzlich mehr Schulden aufnehmen konnte. Das ging einigermaßen gut, bis dann die Zinsen für ihre Staatsanleihen wieder anstiegen, jetzt aber über ihr Budget hinaus. Und das würde uns, den Kommunen, Landkreisen genauso gehen. Deshalb plädieren wir dafür, auch jetzt den Kurs der Konsolidierung einzuhalten und nicht den betörenden Sirenengesängen niedriger Zinsen zu folgen. Die Folgen sind aus der griechischen Mythologie bekannt und auch die Gegenwart spricht eine deutliche Sprache.

Grade deshalb plädieren wir auch weiterhin für eine eher zurückhaltende Baulanderschließung. Was ich über Zinsen gesagt habe, gilt auch für Privatleute und es nützt unserer Stadt nichts, wenn Baugrundstücke jetzt für kurzfristige Einnahme- und Wachstumsvorteile verschleudert werden, nur um bei einem Hype dabei zu sein, der sich schnell zu einer Blase entwickeln kann. Was dann? Und wenn ich dieses Jahr nicht den sparsamen Umgang mit der Fläche anmahne, dann nicht, weil ich es mir anders überlegt hätte, oder weil es nicht mehr nötig sei, sondern weil wir es erst vor einem Jahr getan haben.

Sinnvoll ist es, das Gebiet entlang der Industriestraße planerisch zu erfassen. Dieses Gebiet hat dank seiner Nähe zum Bahnhof ein großes Entwicklungspotential, das sich nicht auf reinen Wohnungsbau beschränkt. Ich denke da auch an den Gesundheitsbereich. Hier sollte die Stadtverwaltung auch mit den hier ansässigen Ärzten in Kontakt treten. Nicht, damit halt etwas getan wird, sondern damit wir nicht den Anschluss an mögliche Veränderungen im Gesundheitsbereich verpassen.

Wenn Sie glauben, wir wüssten nun, um was für einen Baum es sich gehandelt hat, damals als Eva die verbotene Frucht pflückte, da muss ich sie enttäuschen. Es käme durchaus noch der Weinstock in Frage und in manchen Gegenden Afrikas ist es eine Bananenstaude.

Ziemlich viele Alternativen für einen einzigen Baum. Auf der Karte „Situs CHOROGRAPHIA et Flumina PARADISI in Terra Canaan“ von 1711 ist das Paradies eingezeichnet, ebenso ein Baum, darunter zwei Menschen und am Baum die obligatorische Schlange. Eindeutig erkennen und benennen lässt sich der Baum allerdings nicht. Es bleibt also alles möglich und damit alles unklar.

Klare Sache ist es bei den Bäumen der Schulen in den Ortsteilen. Die Grundschule Hecklingen / Nordweil nennt sich jetzt Drei-Linden-Schule. Vielleicht kommen wir mal zu einer Vier-Linden-Schule, in der in einer Schule verschiedene Grundschul-Angebote für alle Grundschulkinder aus Bombach, Hecklingen, Kenzingen und Nordweil angeboten werden. Es könnte eine Grundschule mit einem breiten pädagogischen Angebot werden. Aber das ist vorläufig nur eine Vision.

Leider scheint der Standort Haupt- / Werkrealschule in Kenzingen Geschichte zu sein. Bedauerlicherweise hat es Herbolzheim nicht für nötig erachtet, über den Gemeindeverwaltungsverband mit allen 4 Gemeinden eine gemeinsame Schulentwicklung zu planen. Schade – das wäre mal eine sinnvolle interkommunale Zusammenarbeit gewesen. Wir haben zum Thema Gemeinschaftsschule in unserer Fraktion sehr kontrovers diskutiert. Wir sind uns aber einig, dass wir Schule neu denken müssen, dass sich die Schulpolitik noch weiter verändern wird. Auch bei Kindergärten wird es um mehr gehen müssen, als nur um eine zeitliche Ausweitung des Angebotes. Wenn die frühe Kindheit die Bedeutung hat, wie es die Forschung heute weiß, muss der Kindergarten noch viel mehr in das gesamte Bildungskonzept mit einbezogen werden.

Kinderhaus: Bis es soweit kommt gehen wir das an, was wir in Kenzingen tun können und freuen uns auf die Diskussion zur Konzeption des geplanten Kinderhauses.

Sagte ich vorhin, dass bei der Suche nach den möglichen Paradiesbäumen alles möglich sei, so muss ich das jetzt relativieren: Topfpflanzen scheiden aus.

Bei der Unterbringung von Obdachlosen würden für uns eigentlich auch Containerwohnungen ausscheiden. Allerdings muss es alternative Möglichkeiten geben, tatsächliche, nicht lediglich hypothetische, die auch gesagt werden müssen. Nur Vorschläge verneinen wenn gehandelt werden muss ist zu dürftig. Und bevor Menschen auf die Straße gesetzt werden, können mobile Wohnräume oder Container eine zeitlich beschränkte Alternative sein.

Alte Halle: Was für uns auch ausscheidet, ist die Variante eines möglichen Abrisses der Alten Halle. Wir sind dafür, dass die Alte Halle wie geplant saniert wird, Toilettenanlage, Küche etc. Logisch, dass diese Halle eventuell einige Funktionsdefizite hat. Aber ich glaube nicht, dass diese tatsächlich stören, weil es eben die Alte Halle mit ihrem ganz eigenen Charme ist.

Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Ende ohne die Frage nach dem Paradiesbaum gelöst zu haben. Wenn wir weiter suchen würden, kämen wir vielleicht auf die Silberlinde: ein Baum im Paradies mit Migrationshintergrund. Aber lassen wir es für heute damit genug sein. Vielen Dank für die gute, manchmal auch herzlich heftige Zusammenarbeit im vergangenen Jahr. Vor 2 Jahren sagte ich: „Wir müssen nicht immer einer Meinung sein, aber Gesagtes muss eingehalten werden.“ Hat ja fast immer geklappt. Dafür danken wir Ihnen mit dem Wunsch auf ein für Kenzingen gutes Jahr 2013. Unser Dank gilt auch allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die sich im vergangenen Jahr für Kenzingen, für Stadt und Ortsteile, engagiert haben.

Sehr geehrter Herr Guderjan, wir danken Ihnen und allen Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Ihre gute Arbeit. Stellvertretend für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus, auf dem Bauhof, in den Kindergärten, im Städtischen Wasserwerk und im Forst bedanke ich mich bei den anwesenden Amtsleitern Herr Hermann, Herr Bührer und Herr Müller und bei Ihnen Frau Müller. Die Zusammenarbeit mit Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern war immer sehr gut. Eine Zusammenarbeit in gegenseitigem Respekt und mit gegenseitiger Rücksichtnahme, fast so rücksichtsvoll wie hier.

Ein Sohn begleitet seinen Vater zum ersten Mal auf einer längeren Geschäftsreise. Er staunt, mit welcher Leidenschaft der Vater die Preise der Lieferanten drückt. „Aber Vater, warum das alles? Ich weiß doch, dass Du keine einzige Rechnung bezahlen wirst!“ – „Richtig“, antwortet der Vater, „aber ich möchte nicht, dass meine Geschäftspartner zu viel Geld an mir verlieren.“

Dem Haushalt für das Jahr 2013 stimmen wir zu.

Für die ABL: Stefan Bilharz