Mit "ernst", dann sogar "alarmierend" beschrieb die Bürgermeisterin ihren Haushaltsentwurf bei der Einbringung. Ausnahmsweise ist ihr hier einmal Recht zu geben. Wenn man die Zahlen analysiert, so muß man feststellen, daß die von ihr gewählten Adjektive die Lage fast schon verharmlosen. Der hier vorliegende Entwurf befindet sich am Rande des Zulässigen. Jeder Privatunternehmer müßte mit einer solchen Bilanz Bankrott anmelden. Und wenn nicht, so würde er sich vor den Schranken des Gerichts wiederfinden. Und auch wir sollten uns keinen Illusionen hingeben. Ein solcher Haushaltsplan mit einer negativen Zuführungsrate von weit über einer Million Mark darf nur ein einmaliges Intermezzo bleiben. Ansonsten wird die finanzielle Autonomie der Gemeinde beendet sein. Keine Aufsichtsbehörde kann dies länger dulden.
Angesichts einer Belastung von über 2,2 Millionen Mark alleine für Zins und Tilgung wegen der vorhandenen Verschuldung und einer vorgesehenen Neuverschuldung in Höhe von 1,636 Millionen Mark ist allerdings überhaupt nicht mit einer Entspannung in den nächsten Jahren zu rechnen. Kenzingen geht der finanziellen Zwangsverwaltung entgegen.
Nun ist eine solche Finanzlage nicht schicksalhaft und nicht gottgegeben. Es gibt Ursachen, und es gibt Verantwortliche. Begleitet wird dies allerdings auch von Umständen, die dem Einfluß der Stadt entzogen sind.
Auf diese Ursachen will ich nun zu sprechen kommen.
Da ist zuerst die allgemeine politische Lage zu nennen, wie wir alle wissen. In Zeiten von wirtschaftlicher Flaute gehen Zuschüsse zurück, die Einnahmen werden spärlicher. Dies trifft Kenzingen mit ihrer schlechten Eigenfinanzierung besonders hart. Ergänzt wird dies durch die Entscheidungen der Bundes- und Landespolitik auf Kosten der Kreise und der Kommunen. Verbunden ist mit immer mehr Pflichtaufgaben, die uns auferlegt werden. Und auch der Kreis schließt letztendlich gezwungenermaßen seinen finanziellen Engpaß mit der Erhöhung der Kreisumlage. Auch sein Problem landet somit letztendlich bei uns, dem letzten Glied in der Kette. Kenzingen hat längst seine finanzielle Selbstautonomie verloren.
Aktuelles Beispiel ist die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, die wir zum ersten Mal für diesen Haushalt zu berücksichtigen hatten. Rechnen wir die zusätzlichen Einnahmen an der Umsatzsteuer mit ein, so bleibt dennoch ein verringerter Ansatz an der Gewerbesteuer von etwa 300.000 Mark. Das Gerede in Bonn, daß dieser Beschluß keine Verlierer haben würde, wird durch den vorliegenden Haushaltsplan Lügen gestraft.
Doch nicht nur im fernen Bonn und in Stuttgart sind die Ursachen für das Dilemma zu suchen. Längst haben uns auch die Sünden, die in der Vergangenheit vor Ort begangen wurden, eingeholt.
Kenzingen hat in früheren Jahren ganz einfach über die Verhältnisse gelebt. Es wurde zu viel auf Pump investiert. Wie wünschenswert die jeweiligen Maßnahmen damals auch gewesen sein mögen, es fehlte damals der Weitblick.
Ich möchte hier zwölf Jahre zurückblicken auf die Verabschiedung des Haushalts für das Jahr 1986. Damals waren nur 1,3 Millionen Mark an Zinsen zu bezahlen. Zur Finanzierung waren 1,5 Millionen Mark vorgesehen. Das Wort vom "Synonym für eine kaputte Gesellschaft", mit dem jener Haushalt von unserer Fraktion charakterisiert worden war, wurde uns lange nachgetragen.
Originalton aus unserer Haushaltsrede damals: "Kenzingen verschuldet sich in einem Maße, daß die Situation schon jetzt aussichtslos ist und immer auswegloser wird. Banken und Kreditinstitute werden durch ihre Forderungen den finanziellen Spielraum immer mehr einschränken. Die Kosten tragen die Generationen nach uns." Dieser Satz hat nichts an seiner Aktualität eingebüßt.
Ich sage das jetzt ohne Häme. Recht haben kann auch weh tun.
Die damalige Prognose ist längst - viel früher als erwartet - Wirklichkeit geworden. Verantwortung für die zerfahrene finanzielle Situation haben also auch die, die damals hier Politik machten.
Selbstverständlich soll nicht verkannt werden, daß das gute Jahresergebnis für das Jahr 1996 den Spielraum für 1998 verringert. Die damals überraschend gute Steuerkraft bezahlen wir nun höheren Umlagen für Land und Kreis. Jedem und jeder mit der Materie Vertrauten war das im November bei Feststellung der Jahresrechnung bewußt. Frau Bart war über das Ergebnis allerdings nur "stolz."
Wenige Tage darauf in der Bürgerversammlung, zu einem Zeitpunkt als der Kämmerer mit ziemlicher Sicherheit bereits schlaflose Nächte wegen des diesjährigen Haushaltsplans hatte, tönte die Bürgermeisterin lautstark: "Ich habe die Prokopfverschuldung um 60 Mark gesenkt!"
Abgesehen von der unpassenden Ich-Form - denn wie wir alle wissen, hatte ja erst der Gemeinderat einen genehmigungsfähigen Haushalt erzwingen müssen - erschreckt der mangelnde Weitblick, den sie dabei an den Tag legte.
Kein Gedanke an weit über zwei Millionen Mark Darlehen, die als so schwere Hypothek diesen Haushalt belasten. Natürlich kein Wort davon, daß viele Einnahmen auf Zufälligkeiten beruhten und nur aus der Bereinigung der früheren Jahre zu erklären waren. Selbstverständlich unerwähnt blieb, daß die angeblichen Einsparungen nur aufgrund ihres mangelnden Engagements zu Verschiebungen in die folgenden Jahre führten. Auch in diesem Jahr haben wir kostenträchtige Maßnahmen, die damals unerledigt blieben. Daß sie für ihre Aussage zudem schönrechnete, indem sie die steigende Einwohnerzahl durch Neubürger ganz einfach nicht berücksichtigte, paßt nur ins Bild. Wieso sollte Frau Bart auch gerade von der Mathematik eine Ahnung haben ?
Damit sind wir schon bei den hausgemachten Problemen. Es wäre nämlich völlig verfehlt, wenn man nur auf die Vergangenheit verweisen würde. Wie von verschiedener Seite zu hören war, wird nach dem Rundumschlag der Bürgermeisterin beim Neujahrsempfang zwar mancherorts mit deren baldigen Seligsprechung gerechnet. Das Palavern vom Frieden in der Welt und die Selbstdarstellung als verfolgte Unschuld kann uns allerdings nicht überzeugen. Ihre ganz persönliche Verantwortung für Einnahmeverluste und für Ausgabensteigerungen geht nämlich in die Hunderttausende.
Da ist zuerst der Kindergarten in Hecklingen. Seine Unterhaltung belastet uns mit 175.200 Mark. Gleichzeitig verringert sich der Zuschuß an die kirchlichen Kindergärten aber nur um 90.900 Mark. Also: 84.300 Mark Mehrkosten. Aber wie sagt die Bürgermeisterin doch stereotyp: "Alle Vorwürfe haltlos !" Und entgegen ihren früheren Äußerungen ist derzeit überhaupt nicht absehbar, daß sich die katholische Kirchengemeinde in Hecklingen wieder engagieren könnte.
Hinlänglich bekannt ist, daß immer mehr Mitarbeiter krank auf der Gehaltsliste stehen. Auch diese Kosten summieren sich. Unzureichende Personalführung ist die Ursache. Aber Frau Bart sieht sich ja nur selbst als Mobbingopfer.
Die Rückübertragung von Aufgaben nach Weisweil bringt uns Einnahmeverluste von 72.900 Mark. Da die Geschäftsführung der städtischen Wohnbaugesellschaft nun weitgehend außerhalb des Rathauses angesiedelt ist, verringern sich die Einnahmen weiter. Auch im Baubereich wird der Löwenanteil aller Arbeiten nach außen vergeben.
Bei zunehmendem Personalstand wird also immer mehr Arbeit aus dem Rathaus ausgelagert. Das führt zwangsläufig zu unwirtschaftlicherer Arbeit. Daß uns Frau Bart das hierzu erarbeitete GPA-Gutachten, welches vor Monaten im Rathaus eingegangen ist, nicht zur Kenntnis gibt, sagt alles.
Die Folge ist, daß sich die allgemeine Verwaltung (Einzelplan 0) immer weniger selbst finanziert. Der jetzige Ansatz von 19,3 % ist ein absoluter Tiefstand. Für dieses Jahr sind
23,6 % angesetzt und im Jahr 1996 hatten wir noch 33,6 %, was im langjährigen Vergleich zugegebenermaßen ein Ausrutscher nach oben war.
Verstärkt wird dies alles durch eine ausgewiesene A15-Stelle, die außer Repräsentationen sonst nicht mit Arbeit ausgefüllt wird.
Zumindest war die Stelle im letzten Haushalt korrekterweise so ausgewiesen. Daß diese Stelle in diesem Jahr sogar mit A15/A16 ausgewiesen ist, erfüllt uns nur mit ungläubigem Staunen. Zwar wissen auch wir, daß Bürgermeister in Städten unserer Größenordnung nach einer Wiederwahl automatisch auf A15 hochgruppiert werden. Doch steht bekanntermaßen eine Wiederwahl vorerst nicht auf der Tagesordnung. Sollte die Bürgermeisterin tatsächlich glauben, der Gemeinderat könnte sie aufgrund ihrer "Leistungen" vorzeitig befördern. Das wäre ein Jahrhundertwitz. Denn diese Frage stellt sich nun wirklich am allerwenigsten. Selbst dann nicht, wenn die Haushaltslage wesentlich besser wäre.
Aus dem bisher Gesagten wird überdeutlich, daß es genügend Gründe gäbe, diesen Haushalt die Zustimmung zu versagen. Wieso sollten wir auch die Verantwortung für die Fehler anderer übernehmen. Wir lehnen diesen Haushalt innerlich auch ab.
Es geht hier aber nicht um die Zustimmung zur Politik der Bundesregierung und es geht nicht um die Politik einer Bürgermeisterin Bart. Es liegt uns ein Haushaltsplanentwurf vor, mit dem wir mehr schlecht als recht dieses Jahr überwinden wollen. Und zu den vorgelegten Zahlen sehen wir angesichts der äußeren Umstände derzeit keine Alternative.
Unseres Erachtens hat der Finanzausschuß den vorhandenen Spielraum für Einsparungen so gut es eben noch ging, ausgeschöpft. Deshalb müssen auch wir in den sauren Apfel beißen. Wir wollen unsere Kollegen, die mit diesem Entwurf genauso unzufrieden sind wie wir, nicht alleine lassen.
Kenzingen erlebt im Moment eine schlimme Zeit. Da müssen wir verantwortlichen Kommunalpolitiker und -politikerinnen zusammen durch. Wir glauben, daß wir uns nicht aus der politischen Verantwortung stehlen dürfen. Deshalb werden wir diesem Haushalt mit Wut im Bauch zustimmen.
Es muß andererseits auch deutlich gesagt werden, daß der Begriff der Verantwortung nicht überstrapaziert werden darf. Es ist ernüchternd, wenn ein Finanzausschuß versucht, mit
100 DM-Anträgen ein 2,4 Millionen-Defizit zu verbessern, und die Bürgermeisterin sitzt fast teilnahmslos dabei. Keine ihrer Ankündigungen aus der Haushaltsrede hat sie aufgegriffen. Weder war von einer Haushaltssperre für die Stadtsanierung die Rede, noch wurde das Thema Brandschutztüren im Gymnasium von ihr problematisiert.
Auf ihre Sparvorschläge werden wir wohl auch weiterhin warten müssen. Es bleibt nur die Hoffnung, daß auch das Regierungspräsidium erkennt, daß Frau Bart eine Politik betreibt, die die Stadt noch schneller dem finanziellen Abgrund entgegentreibt. Nur so wäre zu vermeiden, daß noch mehr Schaden für die Stadt entsteht.
Im übrigen sind wir der Meinung, daß die Bürgermeisterin zurücktreten sollte. Alternative Bürgerliste     ABL
Fraktion im Gemeinderat Kenzingen